Turmgeschrei

Veröffentlicht auf von Franzosenflo

Hallo ihr Lieben,

Die Schweiz ist nicht mehr die Schweiz... aber lest selbst:


Wer ruft denn da vom Turme?
Wikipedia sagt, dass ein Minarett ein „erhöhter Standplatz oder Turm für den Gebetsrufer (
Muezzin) bei oder an einer Moschee“ ist. Fünfmal täglich ruft der Muezzin von dort aus zum Gebet.


Außer in der Schweiz! Selbige, bzw. die Teilnehmer des Volksentscheides, hat entschieden einen kleinen Satz in die Verfassung aufzunehmen: „Der Bau von Minaretten ist verboten.“


Das alles ist jetzt ein paar Wochen her, aber es beschäftigt mich immer noch, denn das Selbstbild und die Außenwahrnehmung der Schweiz haben daraufhin ziemlich gelitten; nicht nur in meiner Wahrnehmung. Ich habe von dem Wahlergebnis im Zug erfahren. Es war Montagabend und ich war auf der Heimfahrt aus Deutschland. Die Abstimmung hatte ich gar nicht mehr im Kopf. In meinem Umfeld haben mir alle Schweizer versichert, dass so eine Quatschabstimmung niemals durchkommen würde. Dazu sollte man vielleicht wissen, dass bei dieser Volksabstimmung, bei der alle Schweizer aufgerufen waren abzustimmen, ein besonderes Ergebnis erzielt werden musste: Man benötigt die absolute Mehrheit aller abgegebenen Stimmen und das sog. „Ständemehr“. D.h. dass neben der absoluten Stimmenmehrheit auch die Mehrheit der Inner-Kanton-Ergebnisse gegeben sein muss (nur drei Kantone stimmten gegen den Versuch des Minarettverbots; darunter „meiner“). Beides zusammen ist eher unwahrscheinlich bei den in der Regel knappen Abstimmungsergebnissen. Nicht so, jedoch, bei der Abstimmung für das Verbot des Baus von Minaretten…


Zurück zur Zugfahrt. Die „Schweizer Bild-Zeitung“, die „Blick“, welche ein anderer Fahrgast liegengelassen hatte, schleuderte mir die Nachricht ins Gesicht. Die Zitate, die in dem Artikel genannt wurden und die Reaktion im Ausland ausdrücken sollten, gingen von eine „Katastrophe für die Schweiz“ bis zu „Ein Zeichen des Hasses“. Sogar von möglichen Anschlägen auf die gute, alte, neutrale Schweiz war die Rede.


Ich muss sagen, dass das Ausmaß des Schocks bei den Gegnern des Minarettverbots hier in der Schweiz tief sitzt. Das andere Extrem ist die, auch in Internetforen (siehe z.B. Facebook) zur Schau gestellte Freude über das Ergebnis. Viele Medien sind sich einig, dass hier nicht gegen den Bau von Minaretten abgestimmt wurde. Hier wurde einer Angst Ausdruck verliehen, die sicherlich noch durch die teils rassistischen und völlig übertriebenen Poster verstärkt wurde. Der Schock im Land sitzt so tief, dass riesige Marketing-Kampagnen in der islamischen Welt zur Erklärung des Votums gestartet wurden. Ein anderes Votum am gleichen Tag ging in den Medien völlig unter: Die Schweiz wird auch weiterhin Waffenexportieren. Ein Volksentscheid für ein Verbot von Waffenexporten bekam keine Mehrheit.


Für mich ist es eine andere Schweiz seit diesen Wahlergebnissen. Der Veränderungsprozess meiner Wahrnehmung ist zwar schleichend, aber der Paukenschlag des Wahlergebnisses hat einiges gradegerückt. Zumal ich grade in den USA bin und auch hier, obwohl ich mit der Abstimmung als Deutscher nix zu tun habe, auf dieses Ergebnis angesprochen werde. Keiner fragt mich mehr nach Schokolade, Kühen und Bergen…


Es war zwar schon immer eine andere Wahrnehmung auf die Schweiz, die ich „von innen“ hatte, verglichen mit dem Medienbild – sie ist weder ein Paradies, noch ist sie gewaltfrei und sicher, noch neutral, noch ausschließlich weltoffen – aber dieses Wahlergebnis ist der erste direktdemokratische Ausdruck der Angst der Schweizer vor dem Hintergrund eines sich verändernden Landes. Die Stichwörter sind EU-Beitritt, Bankgeheimnis, Eroberung durch die Schwaben (= die Deutschen), Finanzkrise, Polanski... um nur einige zu nennen. Ich bin gespannt, wie die Entwicklung weitergeht und ob sich die Schweiz ihre zweifellos vorhandenen Qualitäten bewahren und ausbauen kann. Ich werde berichten… to be continued.


Euer Franzosenflo

    

 

 

 

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